- geboren 1992 in Wien/Österreich

 

Ausbildungen:

 

2017 - 2018, LIK – Akademie für künstlerische Fotografie

2006 - 2011, Höhere Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt TGM – Technologisches Gewerbemuseum

                       (Höhere Lehranstalt f. Werkstoffingeneurwesen)

 

 

 

Als Künstler entwickelt man zwangsläufig Beziehungen zu verschiedenen Materialien und dazu, wie sie sich verhalten und was sie artikulieren können. Insbesondere die Materialität wird bei Julian Jankovic breit definiert, unter anderem als die Kapazität

eines Systems. Alle Systeme – von der Plastikfolie bis hin zum fertigen Kunstwerk – stehen dabei in einer Wechselwirkung mit der Welt und bringen unter bestimmten Bedingungen, auf bestimmte Weise ihre spezifische Eigenheit zum Ausdruck. Unter

diesem erweiterten Begriff der Materialität wird auch Zuständen, die wir traditionell als immateriell bezeichnen, Wesentlichkeit zugesprochen, die sich bei Jankovic in kausalen Beziehungen ausdrückt. Dehnbarkeit, Widerstandsfähigkeit und Porosität charakterisieren und begrenzen den morphologischen Möglichkeitsraum, den das Material und letztendlich sein Kunstwerk einnehmen kann. Mit anderen Worten, Jankovic misst der Materie eine aktive Rolle bei der Erschaffung ihrer eigenen Form zu. Das daraus resultierende Element des Zufalls und der Unkontrollierbarkeit, ja vielleicht auch eine neu entstandene Störrigkeit des Materials, werden vom Künstler nicht als Kontrollverlust, sondern sprichwörtlich als Elastizität innerhalb seines Schaffens erlebt.

 

Die thematische Komplexität in den Arbeiten von Julian Jankovic tritt vor allem in seinen Wandobjekten und hier in Form von Schichtungen und Struktur hervor. Luftpolsterfolien sind darin straff über farbige Grundierungen auf Holzrahmen gespannt und es ergibt sich auf den ersten Blick ein harmonisches Bild, dem auch eine gewisse Ordnung ähnlich einer digitalen Matrix auferlegt scheint. Wie fragil allerdings das Konstruierte tatsächlich ist, wird in dessen unvermeidbarer Interaktion mit Umweltfaktoren ersichtlich. Bei unachtsamen Berührungen springen die Noppen der äußersten Folienschicht wie Fieberblasen auf und wird die Luft zu trocken, klaffen die vorab vom Künstler mit dem Heißluftföhn angesengten Schichtungen

auf. In Reminiszenz an die Materialbilder von Alberto Burri und der Arte Povera, sind die Transformationen in Jankovics Arbeiten aber keineswegs im Sinne einer Effekthascherei angelegt, sondern werden vom Faktor Zeit, der Temperatur, der

Luftfeuchtigkeit sowie der Sonneneinstrahlung bestimmt.

 

Auch in der Entstehung seiner Skulpturen, für die mehrere Kilo Polyethylen- Verschlusskappen eingeschmolzen und in Form gebracht werden, ist es unwahrscheinlich, dass Jankovic vorhersehen kann, wie sich eine brennend heiße Plastikmelasse mit bereits erkalteten Formationen arrangiert. Hier steht die

Erschaffung eines Materialportraits innerhalb eines Systems von universalen Bedingungen und nicht eine bestimmte Form im Vordergrund. Zudem benutzt Jankovic aktuell keine Versiegelungen oder Firnisse, die den Status quo direkt nach

der Fertigstellung längst möglich festhalten und den Zerfall hinauszögern. Seine Arbeiten sind gerade dadurch ein Anblick der Freude, den es nicht genug zu würdigen gibt: die Toxizität bekommt Risse und der Künstler dokumentiert den Kollaps.

 

Abgesehen von einem inneren Antrieb, besteht die Rolle von Julian Jankovic im Kampf um unsere Zukunft darin Kunst zu schaffen, die einen Unterschied macht und ein soziales Gewissen hat. Kunststoff in seinem Erdölzustand hat Millionen Jahre

Evolution durchlaufen, um zu einem Gegenstand zu werden, der letzten Endes als Nebenprodukt unserer Bedürfnisse weggeworfen wird. Umso berührender ist es, dass – ausgehend von der Annahme, dass die industrielle Produktion der

Einzigartigkeit widerspricht – Jankovics Werke mit der Binarität von Natur und Künstlichkeit so eindrucksvoll frei und durchaus lustvoll spielen. Spontane Impulse, das Multiple aber auch Kreisläufe, die in Anfang und Ende definiert sind, bestehen

simultan und verwandeln unpersönliche Massenware in ein Hornissennest, in Fleischklumpen oder Epidermis. Doch so scheinbar losgelöst der Künstler zwischen Form, Farbgebung, Stilmittel wie auch innerhalb der einzelnen Disziplinen

wechselt – von Skulptur zu Objektkunst, über Malerei und Zeichnung zur Fotografie – so beständig und fest in sozialen Werten verwurzelt erlebt man ihn im Gespräch. Dies mag vielleicht der Grund sein, dass die Diversität eines nicht verdecken kann: das

Material, auf das immer wieder zurückgegriffen wird. PVC scheint derzeit so stark an Jankovic zu haften, wie sich die Bereitschaft zu sozialer Verantwortungsübernahme in ihm eingebrannt hat.

 

Julian Jankovic schöpft Vision und Kraft aus dem Umgang mit dem Übersehenen und dem zu unserem eigenen Nachteil Vernachlässigten. Die vielen Facetten der Gegenwart wahrzunehmen lastet jedoch schwer - und mancherorts hilft wohl ein

Batzen Neongelb. Im Atelier wechseln wüste Farbkombinationen zarte Töne ab, kurz Kontraste und Brüche dominieren die Atmosphäre. Hinter einer pechschwarzen Skulptur, die an eine Raucherlunge erinnert, durchwabern pastellige Farbfelder naiv

eine Papierarbeit und es tritt einmal mehr die Frage auf, was in diesem Wechselbad an Stimmungen eher nach der eigenen Aufmerksamkeit verlangt. Auch der Künstler selbst gibt sich an dieser Stelle authentisch überrascht und kurz vor einer

Deutungssperre. Will man einen Zugang finden, so gilt es raus aus dem Kopf und hinein in eine gefühlte Wahrnehmung zu gehen. Von der Schmelze des Plastiks im Hochofen, zur abstrakten Formwerdung nach dem Prinzip der spontanen Geste, bis

hin zum finalen Werk, auf das Umweltbedingungen ungeschützt weiter einwirken können, ist genau dies Dreh- und Angelpunkt des Gesamtwerkes. Jankovics Arbeiten entwickeln sich durch eine prozesshaft initiierte Wandlung aus sich selbst

heraus zu sensiblen Abbildern jener Überforderung, die unsere Transformationsgesellschaft beherrscht. Dass der Künstler in diesem zunehmend katastrophalen Spannungsfeld nicht nur konsequent, sondern sozial umsichtig und nachhaltig arbeitet verwundert schlussendlich nicht – denn mitten im Chaos ruht er fest in seinen Werten.

 

 Text von Esther Mlenek